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Programmierte Ge­burt – 780  Mi­nu­ten Zeit?

Geburten am Fließband?

80 Minuten = 13 Stunden. Das ist die Zeitvorgabe für eine Geburt in Deutschland. So sagte es die Abgeordnete Frau Möhring im Deutschen Bundestag bei einer Fragestunde 2017. Das heißt, 780 Minuten können mit der Krankenkasse als Fallpauschale abgerechnet werden.

routine zeitdruckFoto: Pixabay free
Laut Deutschem Hebammenverband (DHV) ist diese Minutenzahl zur Abrechnung aber nicht mehr bindend. Die Pauschale wird auch dann gezahlt, wenn eine Geburt in kürzerer Zeit stattfindet. Ein Anreiz, um mit Wehenmitteln nachzuhelfen?

Wenn die Geburt länger zu dauern „droht", was bei einer Erstgebärenden Frau häufig der Fall ist, entsteht Handlungsdruck: Medikamente werden gegeben, Eingriffe durchgeführt. So können noch zusätzliche Kosten bei den Krankenversicherungen abgerechnet werden, zum Beispiel für Wehenmittel, PDA, CTG (Ultraschall-Herztonmessung), Dammschnitt, Kristellern, Zangengeburt, Kaiserschnitt. Dass eine gebärende Frau spazieren gehen und sich auf dem Flur bewegen möchte, passt nicht in den Zeitplan, denn währenddessen entstehen der Klinik Kosten, weil ein Bett belegt ist, ohne dass sich „etwas tut" und eine abrechenbare Leistung erbracht wird.
So wird auch erklärlich, dass sehr viele Kaiserschnitte schon bei unter 25jährigen Frauen durchgeführt werden. (1) Die meisten sind Erstgebärende.

Bei Erstgeburten dauert die naturgemäße Wehenentwicklung nicht selten 18 bis 20 Stunden. Damit entfällt dann auch das Argument, dass die Frauen so viele Kaiserschnitte bekommen, weil sie "alt und morbide" seien, so das Zitat eines Vertreters der Gynäkologenverbände im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages.

Gesammelte Zitate: „Hier muss endlich mal etwas passieren..., wenn bis morgen früh nichts passiert ist..., so wird das nichts..., Sie haben eine Wehenschwäche..., erst 2 cm Muttermund geöffnet, wenn das so weiter geht...."
Diese und ähnliche Äußerungen, die vielfach bezeugt sind, machen Druck und Stress. Das ist verbale Gewalt, die das notwendige Loslassen verhindert und ein Vertrauen in die eigene Gebärfähigkeit untergräbt.

Ein Geburtsprogramm, bei dem ab Eröffnungsphase bis hin zur Plazentageburt Tempo verlangt wird, geht auf Kosten der Gesundheit von Mutter und Kind, auf Kosten einer gelingenden Startphase in die Mutterschaft und das Familienleben. Ein Klinikprogramm auf Kosten der autonomen Entfaltung des Babys, das zusammen mit seiner Mutter ein fein abgestimmtes hormonelles Zusammenspiel nicht erleben darf.

Zum Tempodruck gehört auch das zu frühe Abnabeln des Kindes. Dass es sein gesamtes eigenes Blut für die gesunde Umstellung auf die Lungenatmung selbst braucht, wird den Eltern meistens verschwiegen. Stattdessen werden sie um eine Blutspende ihres Kindes zu einem guten Zweck gebeten. So kann gleichzeitig das abgenabelte Baby zeitsparend weggetragen und vom Kinderarzt untersucht werden.

Es wird nicht darüber informiert, dass die Klinik Babyblut teuer verkauft, zumal es die begehrten Stammzellen enthält.

Seit den Empfehlungen einer neuen S3- Leitlinie entscheidet die Mutter, ob mit dem Abnabeln abgewartet werden muss oder ob dies zwischen 1-5 Minuten gemacht wird. Warum wurde das frühzeitige Abnabeln nicht einfach untersagt?

Frauen, die nicht informiert sind und nicht darauf hinweisen, dass das Baby all sein Blut erhalten soll, werden erfahren, dass ihr Baby früh abgenabelt wird und der Verlust von mindestens 1/3 seines Gesamtblutes in Kauf genommen wird.

Wir sehen in all dem eklatante Verletzungen von Kinderrechten: auf höchst mögliche Gesundheit, auf eine Geburt im eigenen Rhythmus und Tempo, auf eine bestmögliche Ernährung (Kaiserschnitt erschwert das Stillen) und auf eine sichere Bindung.

Laut Bertelsmannstudie Faktencheck Kaiserschnitt, S. 45, erlebten 2007 Frauen unter 20 Jahren zu 23,9 % einen Kaiserschnitt. Bei den 20- bis unter 25-Jährigen waren 25,3 % der Frauen vom Kaiserschnitt betroffen. 2010 gab es bei der jüngeren Gruppe von Frauen einen Zuwachs von + 2,1 Prozentpunkten, bei den 20- bis unter 25jährigen Frauen lag der Zuwachs bei + 2,5 Prozentpunkten.

Kommentar der Autoren:
„Es überrascht, dass sich die Kaiserschnittrate zwischen 2007 und 2010 bei den Müttern der Altersgruppe bis 20 und bis unter 25 Jahren (27,8 %) überdurchschnittlich stark erhöht hat. In der Altersgruppe der 35- bis unter 40-Jährigen hat sich die Kaiserschnittrate im selben Zeitraum hingegen eher unterdurchschnittlich entwickelt ...“

Mit diesem Ergebnis kann die These entkräftet werden, die Kaiserschnittrate erhöhe sich aufgrund des gestiegenen Alters der Frauen.

11/2022

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