Geburtsort frei wählen – Frauenrechte eindeutig
Qualitätsvergleich – Rechtslage
Die Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaft (DGHWi) legt ein Positionspapier zur außerklinischen Geburtshilfe vor. Die Fachsprache der Hebammen-Wissenschaftlerinnen enthält etliche Begrifflichkeiten, die nicht Allgemeingut sind. Wir haben darum im Original s. u. als Lese- und Verständnishilfe einzelne wichtige Absätze hervorgehoben unterlegt und diese Zusammenfassung erarbeitet.
Aussagen des Positionspapiers:
Vergleichsstudien zu Geburtsergebnissen (outcome) von Mutter und Kind an verschiedenen Geburtsorten zeigen, das außerklinische Geburten im Vorteil sind. Eine vorsichtig formulierte Kritik lautet, dass Informationen für Eltern über die Risiken bei Klinikgeburten verschwiegen werden. „Der Beweis, dass einer der Geburtsorte besser ist als der andere, wurde mit Etablierung der Klinikgeburt nicht geführt." Frauen haben ein Recht darauf, offen über die verschiedenen Geburtsorte informiert zu werden.
Zur Rechtslage
Zum Tragen kommt das Grundgesetz Artikel 2 und § 24f Sozialgesetzbuch (SGB) V sowie die europäische Rechtsprechung. „In Deutschland haben Schwangere das Recht, den für sie und ihre Kinder passenden Geburtsort zu wählen. Sie können sich zwischen Hausgeburt, Geburtshaus (eigenständig bzw. auf dem Klinikgelände), Hebammenkreißsaal und herkömmlicher Geburtsstation in der Klink entscheiden..."
„Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat im sog. Tzernovszky-Urteil die freie Wahl des Geburtsorts als eine Form der Ausübung körperlicher Autonomie anerkannt...]. Als solches ist das Recht auf die freie Wahl des Geburtsorts durch Artikel 8 Absatz 1 der Europäischen Menschenrechtskonvention, dem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, geschützt..."
Was wird bei unterschiedlichen Geburtsorten verglichen?
Verglichen werden z. B. die Zahl der vaginal operativen Geburten (Zangen-, Saugglockengeburten), Kaiserschnitthäufigkeit, Dystokie (Schulterverletzung), Periduralanästhesien (PDA), Dammschnitte (Episiotomien), Verletzungen des Aftermuskels (Sphinkterverletzungen) und nachgeburtliche (postpartale) Blutungen. Bei diesen genannten Vergleichspunkten schneiden außerklinische Geburten in jedem einzelnen Punkt besser ab. D. h., dass es zu weniger solcher Vorfälle kommt im Vergleich zu Klinikgeburten. Die Zählungen beziehen sich auf schwangere Frauen mit „wenigen Besonderheiten" im Schwangerschaftsverlauf. (Laut Welt-Gesundheits-Organisation WHO trift das auf ca. 85 % der schwangeren Frauen zu.)
Forderungen der DGHWi
- Schwangere Frauen sollen ihren Wünschen zum Geburtsort entsprechend unterstützt werden.
- Informationen und Beratung zu klinischem oder außerklinischem Geburtsort sollten auf der Grundlage wissenschaftlich erwiesener Tatsachen erfolgen und die Vor- und Nachteile fundiert benannt werden.
- Zur Sicherstellung des real bestehenden Wahlrechts in Bezug auf den Geburtsort sollen die geburtshilflichen Fachverbände (GreenBirth: gemeint sind die Gynäkologenverbände ) ihre Mitglieder anhalten, bei Fragen zum Geburtsort auf wissenschaftlich fundierte Grundlagen zurückzugreifen.
Schlussfolgerung
„Die Wahlfreiheit und die Selbstbestimmung der Schwangeren in Bezug
auf den Geburtsort sind hohe Güter. Die bestehende wissenschaftliche
Evidenz zeigt Vorteile für Mutter und Kind, wenn eine außerklinische
Geburt angestrebt wird – insbesondere für die Wahrscheinlichkeit einer
spontanen Geburt ohne Interventionen."
12/2022