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Frühgeborene Kin­der – ein Ver­band setzt sich ein 

Versorgung in Deutschland dringend reformieren

 Der Bundesverband „Das frühgeborene Kind“ e. V. zeigt sich anlässlich des Welt-Frühgeborenen-Tages am 17.  November besorgt über die Versorgungslage von Frühgeborenen und kranken Neugeborenen in Deutschland. „Das theoretische Wissen um die Wichtigkeit von entwicklungsfördernder und familienzentrierter Versorgung während der anfänglichen Akutphase nach der zu frühen Geburt ist zwar grundsätzlich vorhanden.

bindung zwillinge ueberlebenTrotzdem werden Mütter auf den neonatologischen Stationen noch immer von ihren Kindern getrennt, müssen jeden Abend nach dem Ende der Besuchszeit mit leeren Händen aus der Klinik nach Hause gehen, da eine Mitaufnahme als Begleitperson oft nicht möglich ist.

Obenstehendes Bild ging um die Welt: Eine Krankenschwester folgte ihrem Impuls und legte die kleinen Schwestern in einem Bettchen zusammen. Der Herzschlag und die Atmung des schwächeren Mädchens stabilisierten sich, beide Kinder überlebten.

Noch immer müssen Eltern auch auf wertvollen Hautkontakt mit ihren Kindern bei der sogenannten Känguru-Therapie verzichten, weil gerade niemand da ist, der Zeit hätte, beim Umlagern des Kindes vom Inkubator auf die Brust des Vaters oder der Mutter zu helfen“, berichtet Barbara Grieb, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes.

Zudem scheitert die anerkannte Känguru-Therapie oftmals an beengten Raumverhältnissen in den Kliniken bzw. ist dies nur mit Kompromissen durchzuführen

Das Land leistet sich im europäischen Vergleich mit mehr als 220 die meisten Perinatalzentren, in denen kleine Patienten unter 1.500 g Geburtsgewicht versorgt werden sollen (www.perinatalzentren.org). Doch nicht alle Standorte sind in der Lage, die für eine gute Frühgeborenenversorgung definierten Qualitätsziele zu erfüllen. Das belegt ein unlängst vom Institut für Qualität und Transparenz im Gesundheitswesen vorgelegter Qualitätsbericht.

Nichteinhaltung von Qualitätsvorgaben:
Insbesondere die Anforderung der regelhaften Anwesenheit eines Pädiaters bei Frühgeburten, der die spezialisierte Versorgung der Frühchen sicherstellen soll, wird von Stationen, die im Jahr weniger als 20 Frühchen betreuen, auffallend oft nicht erfüllt. Mehr als die Hälfte der Einrichtungen mit solch niedrigen Fallzahlen verfehlte diese Qualitätsvorgabe.

Krankenhausstandorte mit mehr als 20 Fällen lassen dem Qualitätsreport zufolge nur in fünf Prozent Frühchen auch ohne anwesenden Pädiater zur Welt kommen. Experten gehen davon aus, dass Frühgeborene, die in Anwesenheit eines Pädiaters zur Welt kommen, höhere Überlebenschancen haben.

Unzureichende Ausstattung mit gut geschultem Pflegepersonal: Auch fehlt es auf vielen neonatologischen Stationen an qualifiziertem Pflegepersonal. Untersuchungen belegen, dass die unzureichende Ausstattung mit eingearbeitetem Personal das Risiko für im Krankenhaus erworbene Infektionen mit multiresistenten Erregern ansteigen lässt.

Für Frühgeborene unter 1.500 g steigt dieses Risiko nach fachlichen Erläuterungen der Arbeitsgruppe Neonatologische Intensivmedizin der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut bereits dann erheblich an, wenn eine Pflegekraft mehr als 2 dieser kleinen Patienten versorgt. Schlimmstenfalls kostet dieser vermeidbare Umstand Kinderleben – ein unerträglicher Zustand für betroffene Familien. Daher fordert der Verband eine ausreichende qualifizierte personelle Besetzung auf den Stationen.

Falsche Vergütungsanreize: Ein weiterer Systemfehler steckt im konventionellen Vergütungsmodell für Krankenhausbehandlungen. Demnach ist ein sehr kleiner Patient vor allem dann verhältnismäßig lukrativ, wenn er sehr krank ist, viele Untersuchungen und invasive Behandlungen durchgeführt und in der Folge abgerechnet werden können.

Das steht mittlerweile im Widerspruch zu modernen Versorgungskonzepten, die darauf abzielen, Frühgeborene möglichst unbeschadet durch die kritische erste Zeit zu begleiten, besonders schonend zu behandeln und gefürchtete Komplikationen bestenfalls zu vermeiden. Das beinhaltet auch eine Reduzierung von Eingriffen und Störungen der Kinder auf das absolut notwendige Maß. Damit bleiben ihnen Schmerzen und Stress erspart, der sich nachteilig auf ihre weitere Entwicklung auswirken kann.

Fehlende Elterngeldzeit: Zudem wirkt sich der Umstand, dass die Elterngeldzeit mit dem Tag der Geburt eines Frühchens beginnt, nachteilig auf die Situation von betroffenen Familien aus. Mitunter vergehen bis zu vier Monate oder mehr, bis die Familien in der Lage sind, ihre Kinder nach der anfänglichen Zeit in der Klinik im häuslichen Umfeld zu versorgen.

Dabei ist die Betreuung des Kindes im häuslichen Umfeld eigentlich eine im Gesetz definierte Anspruchsvoraussetzung. Dieser Anspruch endet mit dem ersten Geburtstag eines jeden Kindes. Frühgeborene sind dann zwar faktisch ein Jahr auf der Welt. Ihr Entwicklungsstand entspricht jedoch oftmals noch nicht dem eines reif geborenen einjährigen Kindes, fehlt ihnen doch wertvolle Zeit im geschützten Bauch der Mutter.

Das Problem verschärft sich mit zunehmender Unreife des Frühchens bei der Geburt. Gerade die Allerkleinsten und ihre Eltern wären dringend darauf angewiesen, wertvolle Zeit im geschützten familiären Umfeld nachholen zu können. „Es bestünde alternativ die Option, den korrigierten ersten Geburtstag dieser Kinder zu berücksichtigen.

Dieser bemisst sich nach dem ursprünglich errechneten Geburtstermin. Bisher zeigt sich der Gesetzgeber jedoch trotz vieler Klagen von betroffenen Eltern uneinsichtig, was diese faktische Benachteiligung von betroffenen Familien angeht“, fasst Barbara Grieb, Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes die momentane Situation zusammen.

Diese strukturellen Probleme können nur auf landes- und bundespolitischer Ebene gelöst werden, ist der Verband überzeugt und appelliert an die Verantwortlichen in den entsprechenden Ministerien, sich diesen Missständen anzunehmen und für Verbesserungen im Sinne der Allerkleinsten und ihrer Familien zu sorgen.

Im Rahmen einer politischen Abendveranstaltung informiert das interdisziplinäre Netzwerk Neonatologie am 24.11. in der Hörsaalruine der Charité interessierte Politikerinnen und Politiker über die aktuelle Situation der Frühgeborenen-Versorgung in Deutschland.

Der Bundesverband „Das frühgeborene Kind“ ist der überregionale Zusammenschluss von Elterninitiativen und Fördervereinen die sich für Frühgeborene und kranke Neugeborene in Deutschland sowie angrenzenden deutschsprachigen Ländern einsetzt.
Über geplante alljährliche Veranstaltungen am 17.11. in Deutschland informiert die Seite Welt-Frühgeborenen-Tag 

10/2022

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